Die persönliche Resilienz stärken

Die mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen und Veränderungen begleiten uns seit einem Jahr. Während man am Anfang noch hoffen konnte, dass der «Spuk» bis zum Sommer vorbei sei, wird einem nun fast täglich die Hoffnung auf ein schnelles Ende genommen. Wie gehen wir damit um?

Dr. Katja Unkel
Dr. Katja Unkel

Wie schaffen wir es, beruflich wie privat, nicht den Kopf hängen zu lassen? Wie können wir die Motivation aufrecht halten und Kräfte sammeln, um das Beste aus der Situation zu machen? Was bringt die Zukunft? Wie können wir planen? Welche Entscheidungen vertagen wir?

Als Leadership-Coach und Berater zum Thema «Managing People» begegne ich diesen Fragen besonders häufig. Niemand kann die Zukunft vorhersagen – das konnten wir übrigens noch nie - aber die Unsicherheit und Verunsicherung hat zugenommen. Das Thema Angst und Sorge ist stärker vertreten als vor der Covid-19-Pandemie. Was können wir tun?

In Zeiten von Lockdown und sozialer Isolation ist es wichtig, die eigene Resilienz zu stärken. Sie ist die Grundvoraussetzung, um erfolgreich mit Unsicherheit, Veränderungen umzugehen. Wir brauchen sie, um Krisen als Chancen anzugehen. Unabhängig davon, ob ich als Führungskraft für ein Unternehmen oder einen Bereich verantwortlich bin, oder ob ich mein eigenes Selbstmanagement verbessern möchte, die eigene Widerstandskraft zu stärken ist mehr denn je ein Muss. Das Thema Resilienz ist umfangreich und individuell. Die nachfolgenden grundsätzlichen Aspekte gelten für jeden. Sie sollen als Inspiration dienen, sich dem Thema mehr zu widmen.

Der Begriff Resilienz ist in aller Munde. Lateinisch «resilire» bedeutet «zurückspringen, abprallen». In der Technik ist Resilienz schon lange ein gebräuchlicher Begriff, wenn etwas in die ursprüngliche Form zurückkehrt nachdem es gezogen, eingedellt oder zusammengedrückt wurde. Bei uns Menschen bedeutet das, dass wir wieder gesund, stark und erfolgreich werden (oder bleiben) nachdem etwas Schlimmes passiert ist. Es geht darum, sich bestmöglich an eine schwierige Situation anzupassen und Veränderungen erfolgreich zu meistern. Ich benutze hier gerne den Begriff des «Stehaufmännchen» (bzw. «Stehauffrauchen»). Resilienz ist nicht angeboren, sie ist lernbar. Lassen Sie uns unsere Resilienz verbessern, denn Gesundheit ist bekanntlich die erste Pflicht im Leben.

Folgende sieben Säulen sind für mich und meine Arbeit zentral. Sie zeigen, aus welchen Feldern wir unsere Resilienz speisen.

  1. Sinn
  2. Schlaf und Ruhezeiten
  3. Ernährung
  4. Bewegung
  5. Mentalkraft und Eigenverantwortung
  6. Emotionale Balance und Selbst-Akzeptanz
  7. Soziale Beziehungen und Netzwerk-Kompetenz

Jede dieser Säulen bildet für sich genommen ein breites Themenspektrum ab und ist individuell anzuschauen. Die folgende Auswahl soll als Selbstcheck und Motivation dienen. Auch kleine Impulse können große Veränderungen herbeiführen. Für weiterführende Fragen, können Sie sich gerne an mich wenden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Sinn

«Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.» Dieses Zitat von Nietzsche bringt es auf den Punkt. Wir Menschen sind Wesen auf der Suche nach Sinn, eben jenem Warum. Was sind meine Kraftquellen? Wer oder was lässt mich weitermachen, wenn es schwierig ist? Nur Sie können das entscheiden, nicht Ihr Umfeld oder alte Glaubenssätze. In Zeiten von Lockdown und sozialer Isolation erfährt die Begegnung mit sich selbst neue Intensität. Nutzen Sie das und hören Sie in sich hinein. Wenn Sie die Antwort und Ihr Warum haben, dann prüfen Sie, ob Sie auch danach Ihre Tage und Wochen gestalten. Nicht, dass Sie an Ihrem Sinn vorbeileben.

Schlaf und Ruhezeiten

Was Schlaf angeht, herrscht Einigkeit: 7-8 Stunden Schlaf sollten es sein, damit sich Körper und Geist erholen können. Im Schlaf bauen wir den täglichen Stress ab. Das Gehirn kann wichtige Archivierungs- und sogenannte «Aufräumarbeiten» verrichten, um tagsüber voll einsatzfähig zu sein. Wenn ich von Ruhezeiten spreche, muss ich immer wieder betonen, dass es physische und psychische Ruhezeiten sind. Wer zur Erholung auf die Couch fällt und sich Netflix-Serien hingibt, schaltet zwar für den Moment ab, aber richtige Erholung findet besser statt, wenn wir die Aktivierung des Gehirns ausschalten oder zumindest runterfahren. Wir leben in einer ständigen Reizüberflutung. Das vegetative Nervensystem ist am Anschlag. Im Schlaf kann es sich erholen und in Balance finden, oder aber bei entsprechenden Ruhepausen tagsüber. Kleine Achtsamkeits- Atem-, oder Meditationsübungen eignen sich gut. Genauso ein Spaziergang in der Natur oder das Hören von entspannter, klassischer Musik sind Balsam für unsere Nerven.

Ernährung

Viel wird über Ernährung geschrieben und postuliert. Da den Überblick zu behalten, ist nicht immer leicht. Dennoch lohnt es sich, hier am Ball zu bleiben und vor allem zu erkennen, was gut für einen ist. Grundsätzlich kann man für alle sagen: Vermeiden Sie Zucker, besonders den raffinierten und auch Zuckeraustauschstoffe (sofern Sie nicht Diabetiker sind). Trinken Sie 2-3 Liter Wasser über den Tag verteilt. Essen Sie ausreichend frisches Obst und Gemüse, was nicht um die halbe Welt geflogen wurde, um bei uns auf dem Tisch zu landen. Achten Sie auf ausreichend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Eine weitere Faustregel ist: Je mehr ein Produkt «convenient» ist, es also einfach und schnell zubereitet ist, desto mehr leiden die gesunden Inhaltsstoffe. Es lohnt sich, hier etwas Zeit und auch Geld zu investieren. Ernährung kann bester Treibstoff für uns sein oder pures Gift für unseren Körper und unser Immunsystem.

Bewegung

Um es vorweg zu nehmen: Es geht hier nicht um Leistungssport. Allzu oft erlebe ich Führungskräfte, die nach einem stressigen 14-Stunden-Tag auch noch ehrgeizig für einen Marathon oder Triathlon trainieren. Lassen Sie sich von einem Sportarzt, ausgebildeten Trainer oder Sporttherapeuten beraten, welches Maß für Sie ideal ist, um a) Stress abzubauen und b) Resilienz aufzubauen. Prüfen Sie stets Ihren Gesichtsausdruck. Was besagt er? Haben Sie Spaß bei der sportlichen Aktivität oder ersetzen Sie gerade den einen Stress durch eine andere Form von Stress? Zudem gilt: Jeder Schritt hält fit! Im Homeoffice sind es die Mini-Breaks, die hilfreich sind. Stehen Sie immer wieder mal auf, strecken Sie sich, probieren Sie Chair-Yoga und nehmen Sie die Treppe statt dem Lift. Wichtig ist die Frischluftzufuhr. Sie ist wahre Medizin. Gehen Sie täglich an die frische Luft und finden Sie einen Ausgleichssport für die Seele.

Mentalkraft und Eigenverantwortung

Im Wesentlichen geht es darum, die Eigenverantwortung für sein Leben zu übernehmen. Wir sitzen im Fahrersitz des Lebens, nicht im Beifahrersitz. Oft verfallen wir unbemerkt in eine Art Opferdenken. Besonders in Zeiten der Pandemie und Ohnmacht gegenüber behördlichen Bestimmungen. Mentalkraft beginnt mit meiner Einstellung zum Leben. Gerade bei Dingen, die ich nicht ändern kann, kommt es darauf an, das Beste daraus zu machen, aktiv zu werden und nicht lethargisch. Das ist manchmal einfacher gesagt als getan, daher empfehle ich, von Spitzensportlern zu lernen. Diese trainieren schon lange mental wie physisch. Sie müssen punktgenau Topleistung erbringen. Da darf nichts Störendes im Kopf sein, auch nicht eine vergeigte Leistung im vorangegangenen Durchlauf. Üben Sie sich im positiven, konstruktiven Denken oder dem realistischen Optimismus. «Tu das, was Du kannst, mit dem, was Du hast und da, wo Du bist.» Denken Sie daran, es steht Ihnen frei, zu denken was Sie wollen. Warum sollten wir uns dann mit zu vielen negativen Gedanken selbst runterziehen?

Emotionale Balance und Selbst-Akzeptanz

Oft wollen wir anders sein als wir sind. Unsere Persönlichkeit lässt sich jedoch nicht einfach abstreifen. Wir müssen lernen, uns zu akzeptieren. Sich selbst anzunehmen, ist der erste Schritt. Fangen wir mit der eigenen Identität an. Dann kann man an Verhaltensweisen arbeiten, denn jeder kann sich weiterentwickeln und lernen. Wenn wir aber gegen unsere Grundfeste angehen, liegt das Scheitern nahe. Jeder Mensch ist anders und so wie er ist besonders und wertvoll. Nun geht es darum, sich im Laufe der Jahre nicht nur fachlich weiterzubilden, sondern auch die Persönlichkeit aktiv zu entwickeln.

Soziale Beziehungen und Netzwerk-Kompetenz

Es gilt: Qualität statt Quantität! So banal wie das klingen mag, so sehr gerät es doch in Zeiten von Social Media, Likes und Followern in Vergessenheit. Im Privaten ist es jener Freund oder jene Freundin, mit der oder dem man die besagten Pferde stehlen könnte. Wem vertraue ich vollumfänglich? Wer kennt und schätzt mich so wie ich bin? Wer gönnt mir neidlos mein Glück und meinen Erfolg? Wenn Sie diese Person oder Personen identifiziert haben, dann fragen Sie sich, wieviel Zeit Sie mit ihnen verbringen. Natürlich ersetzt nichts den persönlichen Kontakt, aber bevor wir unsere Lieben gar nicht sehen oder sprechen, ist ein Anruf, ein paar liebe Zeilen (greifen Sie doch mal wieder zu Papier) oder ein Video-Treffen eine hilfreiche Alternative. Das berufliche Netzwerk sollte regelmäßig analysiert und aktualisiert werden. Pflegen Sie es systematisch oder erfolgt es nach dem Zufallsprinzip? Wo haben Sie Lücken im Netzwerk? Erweitern Sie Ihr Netzwerk gezielt mit Blick auf die Zukunft und pflegen Sie es. Wissenschaftler haben gezeigt, dass ein gutes Netzwerk Stabilität und Sicherheit gibt, vor allem in Zeiten wie diesen.

Dr. Katja Unkel